Geschichte der DMS-Messtechnik: mit Wheatstone bis zur Cloud
Ausgefeilte Sensortechnik ist nur so gut wie das Auswerteverfahren. Die Erfolgsgeschichte der Dehnmessstreifen ist deshalb eng verknüpft mit facettenreichen Entwicklungen der Messverstärkertechnik.
Manchem gilt der mobile Fahrversuch als die Königsdisziplin der physikalischen Messtechnik, weil hier anspruchsvollste Anforderungen zusammenkommen: raue Umweltbedingungen wie Klima und Erschütterungen, Platzbeschränkungen für Installation, wenig zuverlässige Energieversorgung und nicht zuletzt sichere Bedienkonzepte auch unter erschwerten Arbeitsbedingungen oder gar ein autarker Messbetrieb. Bei der Fahrerprobung wird deutlich, wie wichtig DMS-Technik als Werkzeug der Produktentwicklung und Erprobung ist, wie wertvoll dort zu gewinnende Erkenntnisse sind und welchen Aufwand dies rechtfertigt.
Bild 1 zeigt dies beispielhaft anhand der Avantgarde mobiler Messtechnik in den 1960er Jahren: Ein mit DMS instrumentiertes Versuchsfahrzeug für Fahrdynamik-Messungen benötigte einen hinterherfahrenden Messwagen, angekoppelt über einen Kabelbaum als Nabelschnur. Dieses rollende Mini-Messlabor (ca. 12 m3) enthielt röhrenbetriebene Messverstärker, Papierschreiber – und nicht zuletzt einen mitfahrenden Messtechniker auf spartanischem Arbeitsplatz, um gerade einmal vier DMS-Kanäle zu registrieren (heute üblich mehrere hundert Kanäle).
Jahrzehnte stürmischen technologischen Fortschritts illustriert als Kontrast ein moderner, miniaturisierter DMS-Verstärker in Bild 4. Mit CAN-Bus-Schnittstelle erlaubt er eine räumlich verteilte Installation, jeweils direkt an der Messstelle, sowie die direkte Integration in etablierte Daten-und Kommunikations-Infrastruktur moderner Fahrzeuge. Dort bildet der CAN-Bus einen Pool für Daten unterschiedlicher analoger und digitaler Sensoren und macht auch bereits vorhandene Messdaten etwa von Steuergeräten verfügbar.
Die Rolle des mitfahrenden Messtechnikers übernimmt mittlerweile ein autarker CAN-Bus-Logger, der DMS- und Fahrzeugdaten synchron aufzeichnet, speichert und sogar drahtlos via Internet in der Cloud verfügbar machen kann. Ein solcher dezentraler Miniaturverstärker ist jedoch nur eine von vielen aktuellen Ausprägungen von DMS-Verstärkern. So vielfältig wie die Anwendungen sind auch die Anforderungen an Messgeräte, auf die moderne Elektronikentwicklung maßgeschneiderte Antworten geben kann, die zu Zeiten von Röhrenverstärkern noch undenkbar schienen.
So gibt es Messverstärker speziell für DMS oder flexibel konfigurierbare Universalverstärker, die auch viele andere Sensortypen und Messmodi beherrschen. Der Geräteausbau kann fest sein oder modular erweiterbar in unterschiedlicher Kanal-Granulierung. Dies kann sowohl in Form von Rack-Systemen mit Einschubkarten realisiert sein oder aber auf Basis von individuellen Modulen mit eigenen Gehäusen, die über Systembusse oder Ethernet vernetzt und räumlich verteilt installiert werden können. Andere Spezialisierungen zielen auf besonders anspruchsvolle Betriebs- und Umweltbedingungen wie Temperatur, Feuchte und Erschütterung, wie sie im mobilen Fahrversuch gefordert sind.
Das Prinzip der Wheatstone’schen Brückenschaltung bildet bei aller Vielfalt jedoch bis heute die Basis: Den DMS-Widerstand (etwa mittels Referenzstrom) nämlich direkt zu messen, ist nicht praktikabel, da er sich nur um winzige Bruchteile (ppm) um seinen statischen Wert herum ändert. Die symmetrische Brückenschaltung dagegen setzt dies direkt in ein messbares differenzielles Signal um, und stellt zudem weniger extreme Anforderungen an die Stabilität der Speisespannung. Dieses kleine Differenzsignal wurde in der Frühzeit der DMS-Technik direkt mit Drehspulinstrumenten zur Anzeige gebracht. Es mittels elektronischer Verstärkung für weitere Verarbeitung aufzubereiten, zeichnet dann echte Messverstärker aus.
Als Messumformer (für z.B. 10-V- oder 20-mA-Signale) konnten damit auch digitale Ziffernanzeigen (BNC-Röhren oder 7-Segment LEDs) betrieben werden, insbesondere aber Papier-Schreiber. Mit ihnen brachte man nicht nur Momentanwerte zur Anzeige, sondern konnte nun dynamische Zeitverläufe lückenlos, hochaufgelöst und archivierbar dokumentieren.
Beginnend mit Röhrentechnik, über Transistorschaltungen, hin zur Silizium-Chip-Technologie brachten schließlich Digitalisierung und Datentechnik die größten technologischen Durchbrüche. Integrierte Schaltkreise und Operationsverstärker eroberten erst das analoge Front-End, ADCs und Mikroprozessoren, dann die weiteren digitalen Stufen der Signalverarbeitung.
Für die Wahl unterschiedlicher Realisierungskonzepte, beispielsweise mit Mikrocontroller (MMU), digitalem Signalprozessor (DSP) oder rekonfigurierbarer Logik (FPGA), gibt es bis heute je nach Entwicklungszielen jeweils gute Gründe. Allen Konzepten gemeinsam sind jedoch stetig wachsende Flexibilität und Leistungsfähigkeit bei sinkenden Kosten und Baugrößen.